Wenn Kinder einer Hand folgen

2019-streitschlichtung

Mit dem Verein Chancen für Kinder im Alltag (ChaKa) zeigt Theaterpädagoge Frank Fuhrmann Kindern gewaltlose Streitschlichtung. Vertrauen gilt dabei als wichtiges Fundament.

WILHELMSHAVEN. Wenn Kinder nur einer Hand hinterher laufen, dann hat meist Theaterpädagoge Frank Fuhrmann von der Landesbühne Nord im wahrsten Sinne des Wortes seine Finger im Spiel. In einer Übung sollen die Kinder nämlich einfach nur der Hand ihres Partner folgen und darauf vertrauen, wo er sie hinführt.

Die Übung ist Teil einer Aktion, die gerade aktuell auf der Probebühne im Stadttheater Wilhelmshaven in Kooperation mit ChaKA läuft. Insgesamt sollen in den kommenden Wochen 15 Schulklassen mit Frank Fuhrmann theaterpädagogisch arbeiten. Ziel ist es, den Schülerinnen und Schülern das Thema Konfliktprävention näher zu bringen und Wege aufzuzeigen, eine Gemeinschaft zu schaffen.

„In erster Linie geht es um Vertrauen“, sagt Fuhrmann. Denn auch bei Streitigkeiten müsse man seinem Gegenüber vertrauen können. In einer weiteren Übung wird der Schwierigkeitsgrad noch erhöht. Die Grundschüler sollen ihr Gegenüber, das die Augen schließt, nur anhand von Lauten durch den Raum führen. Für einen kurzen Augenblick klingt es dabei auf der Probebühne wie in einem Streichelzoo. Mit Oinks, Miaus, Quaks und Pieps lotsen sich die Kinder gegenseitig durch den Raum.

„Ich hätte gedacht, dass das die Kinder überfordert“, sagt Christa Marxfeld-Paluszak von ChaKa. „Aber auf ihre Weise haben sie begriffen, worauf es ankommt.“ Der Verein Chancen für Kinder im Alltag unterstützt finanziell und hatte die Idee zu diesem Präventionsprojekt.

So entwickeln die Kinder gemeinsam mit Fuhrmann Szenenbilder, die Konflikte darstellen, die sie vielleicht aus ihrem eigenen Alltag kennen. Raja (9) stellt zum Beispiel mit ihren Mitschülern eine Szene dar, in der um einen Gegenstand gestritten wird. Dabei soll die Neunjährige genaue Regieanweisungen geben – wer wo steht oder wer wie guckt. Anschließend sollen die Schüler versuchen zu erkennen, worum es geht.

Der Theaterpädagoge klärt dann mit den Kindern verschiedene Fragen. Was war Ursache des Streits? Warum verhalten wir uns so? Wie kann man das lösen? Die Antworten der Kinder sind dabei so einfach wie effektiv. „Wenn der Gegenstand nicht existieren würde, gäbe es keinen Streit.“ „Man kauft einen Zweiten.“ „Es kann auch abwechselnd gespielt werden“, so die Vorschläge der Kinder.

„Das ist sowohl für Lehrer als auch für die Kinder sehr spannend“, weiß Fuhrmann aus Erfahrung. „Die Lehrer sehen ihre Schüler mal aus einer komplett anderen Perspektive. Und durch das Spiel haben auch schüchterne und zurückhaltende Schüler die Chance, aus sich herauszukommen.“

Für Lehrerin Kathrin Binkhorst geht es dabei auch um die Perspektivübernahme. „Die Kinder sollen sich in jemand anderes hineinversetzen und sich Gedanken machen, wie sich derjenige fühlt. Und auf einer richtigen Theaterbühne ist das viel spannender als im Klassenzimmer.“ Auch die kleinen Protagonisten haben Spaß an diesem Vormittag. „Es ist toll, dass wir das hier im Team machen und lernen, wie man Konflikte ohne Streit löst“, sagt Marieke (8). Die neunjährige Raja findet das Ausprobieren „besonders cool.“

Und einen zweiten positiven Effekt haben diese Präventionswochen außerdem noch. Die Grundschüler können schon mal etwas Theaterluft schnuppern. „Und wenn sie wollen, können sie das in unserem Kinderclub noch vertiefen“, sagt Frank Fuhrmann. Jeden Donnerstag treffen sich nämlich kleine Nachwuchsschauspieler zwischen neun und zwölf Jahren zwischen 16.30 und 17.45 Uhr im Stadttheater zum Theaterspielen. „Da kann jeder gerne mal vorbeischauen.“

Notiz: Von Sebastian Urbanczyk