Bei Kinderarmut nicht tatenlos bleiben

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In zehn Jahren ChaKA sind Spenden in Höhe von 300.000 Euro zusammengekommen. Der Verein will sich weiterhin gegen Kinderarmut und für Chancengleichheit stark machen.

WILHELMSHAVEN Kinderarmut mitten in Deutschland – selbst in direkter Nachbarschaft: In keiner anderen Stadt in Niedersachsen sind so viele Kinder und Jugendliche betroffen wie in Wilhelmshaven. Das ergab zuletzt eine Studie der
Bertelsmann-Stiftung. Für Christa Marxfeld-Paluszak ist das immer noch schwer zu begreifen. Die Wilhelmshavener Künstlerin ist Vorsitzende des Vereins „ChaKA – Chancen für Kinder im Alltag“ und hat schon viele Familien kennengelernt, die am Existenzminimum leben. „Bei Kinderarmut darf keiner tatenlos bleiben“, sagt sie. Für die Wilhelmshavenerin war das der Auslöser für die Gründung des Vereins, der in diesem Jahr zehn Jahre besteht.

Immer noch mit dem Ziel, die Lebensverhältnisse sozial schwacher Kinder zu verbessern und damit zur Chancengleichheit beizutragen. Das Jubiläum ist für Marxfeld-Paluszak und den gesamten Vorstand Grund zum Feiern – wenn auch mit gemischten Gefühlen. „Natürlich wäre uns lieber, wenn es den Verein gar nicht geben müsste“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Marianne Janss, ebenfalls Gründungsmitglied. Stattdessen sei der Bedarf in den vergangenen Jahren sogar noch
größer geworden. „Um so wichtiger ist es, immer wieder auf das Thema Kinderarmut aufmerksam zu machen“, sagt Janss.
Dabei unterstützt ChaKA nicht nur Kinder aus Familien, die Leistungen von der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter beziehen. „Viele Alleinerziehende oder Familien mit mehreren Kindern leben oft gerade so an der Grenze.“ 900 Schulranzen hat der
Verein inzwischen bezahlt und an Schulanfänger übergeben. Für Marxfeld-Paluszak jedes Jahr ein besonderes Erlebnis, wenn sich die Kinder über ihren neuen Ranzen freuen. Zudem bezahlt ChaKA Winterjacken und Schuhe, finanziert Bücherkisten für
Kindergärten, Schwimmkurse für Vorschulkinder, Klassenfahrten, Museumsbesuche, Frühstück und Mittagessen in Schulen und Kitas. Zuletzt übergab der Verein 206 Winterjacken im Wert von über 9.000 Euro an zwölf Wilhelmshavener  Kindertagesstätten. Durch Spenden werden außerdem Einzelförderungen in Musik, Sprache und Sport ermöglicht.
Ohne die vielen Spender seien diese Aktionen nicht möglich, sagt die Vorsitzende. Gut 300.000 Euro sind in den
vergangenen Jahren sozial benachteiligten Kindern zugute gekommen. Und immer wieder ist die Vorsitzende überwältigt – vor allem, wenn Kinder den Verein unterstützen, zum Beispiel mit Sponsorenläufen an ihren Schulen. Und dann waren da noch Kinder, die auf Geburtstagsgeschenke verzichtet und ihre Gäste ge
beten haben, stattdessen an Chaka zu spenden, erinnert
sich Marxfeld-Paluszak.

Den Schritt zur Vereinsgründung hat die Wilhelmshavenerin nie bereut. Schlüsselerlebnis war schon im September 2006 eine Veranstaltung mit Dr. Antje Richter von der Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen. Es ging um Kinderarmut. Kurz
zuvor hatte Marxfeld-Paluszak einen Vortag des Kriminologen Prof. Dr. Christian Pfeiffer an der Integrierten Gesamtschule gehört. „Das alles hat mich tief erschüttert, und
ich wollte nicht tatenlos wegschauen“, sagt die Wilhelmshavenerin. Marianne Janss erging es ähnlich: „Die Veranstaltung im Pumpwerk hat mich damals motiviert, etwas gegen Kinderarmut zu  unternehmen.“

In ihren Bildern verarbeitete Marxfeld-Paluszak zunächst das Thema. Dann ging alles ganz schnell: Aus der künstlerischen Umsetzung entwickelte sich ein Gemeinschaftsprojekt mit der Sezession Nordwest, der Volkshochschule Wilhelmshaven,
der Polizei, dem Jugendamt und Gesundheitsamt. Kindergärten, Schulen und viele weitere Institutionen beteiligten sich. Veranstaltungen und eine Ausstellung von Marxfeld-Paluszak folgten. Eine Eintagsfliege sollte die Aktion auf keinen Fall sein. Im Februar 2008 gründete sich auf Initiative des Arbeitskreises „Kinderarmut“ der gemeinnützige Verein. Neben Marxfeld-Paluszak und Janss zählen heute drei Frauen zum Vorstand. Allesamt sind schon lange aktiv in den Bereichen Bildung, Migrationsberatung, Kunst und Finanzen. Der Vorteil: Über bestehende und neue Kontakte können sie Kindern zur Teilhabe an Sport, Bildung und Freizeitangeboten verhelfen. Und noch eine Aufgabe will Chaka weiterhin übernehmen: Den Finger immer wieder in die Wunde legen. „Über Kinderarmut wird nicht gerne gesprochen“, sagt Janss. Erst recht nicht in einem reichen Land wie Deutschland. „Deshalb müssen wir immer wieder dafür sensibilisieren“.

FEIER „10 JAHRE CHAKA“ AM 1. MÄRZ 2018
Der Verein ChaKA feiert am 1. März sein zehnjähriges Bestehen mit vielen Gästen und einem bunten Programm. Schirmherr ist
Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies aus Sande. Beginn ist um 19 Uhr im Pumpwerk, Banter Deich 1a. Der Eintritt ist frei.

Am Programm beteiligen sich unter anderem Kinder der Klasse 5d des neuen Gymnasiums Wilhelmshaven. Carola Schede wird die Veranstaltung moderieren und Leiterinnen von Kindertagesstätten interviewen. Franz Schede, Reiner Wojke und Magy da Silva sorgen für Musik.

Notiz: VON STEPHAN GIESERS